Es ist Zeit, mal wieder etwas
über unsere Arbeit in der Schule zu schreiben. Auf meinem Blog kommt es ja fast
so rüber als wären wir nur am Reisen. Und obwohl ich sagen muss, dass wir
aufgrund der langen Schulferien und unseres Zwischenseminars in Tansania auch
echt viel Gelegenheit dazu hatten, sieht man als Blogleser nicht die vielen
Arbeitstage, die wir in der Schule verbracht haben. In den letzten drei Monaten
habe ich Kisii bis auf einen 3-Tagesausflug zum Mount Longonot nicht verlassen
und das hat mir auch sehr gut getan! Doch mein Blog ist schon hauptsächlich von
unseren vielen Reisen geprägt. Einerseits ist die Arbeit in der Schule auch
irgendwie zum Alltag geworden und man ist ja eher geneigt, auf Internetblogs
von spannenden, neuen Erlebnissen zu berichten als von alltäglichen
Kleinigkeiten. Und andererseits sind es genau diese „Kleinigkeiten“, die
unseren Schulalltag ausmachen. Die vielen, kleinen Aufgaben, die wir uns über
den Tag suchen, auch wenn sie uns teilweise nur 10-20 Minuten beschäftigen. Und
auch wenn es nur eine Viertelstunde lang Ballspielen mit den Schülern ist, die
vielleicht von niemandem sonst wahrgenommen, nicht im Internet dokumentiert
oder auf Fotos festgehalten wird, dann freut es uns trotzdem, wenn wir damit
den Schülern und Schülerinnen eine kleine Freude bereiten können. Ich möchte
auch nicht, dass es auf meinem Blog so aussieht als ob weltwärts-Freiwillige
eigentlich nur am Rumreisen sind. Man muss sagen, dass wir in der Special
School auch schon außerordentlich viele Freiheiten genießen können, weil der
Schulleiter es nicht so eng sieht, wenn wir uns für unseren Besuch ein paar
Tage extra freinehmen. Trotzdem nehmen wir unsere Arbeit in der Schule ernst
und bringen wo wir können unsere Motivation, Kraft und Ideen ein.
Wie gesagt, hauptsächlich besteht
unser Arbeitsalltag aus kleinen Aufgaben, die wir uns selbst suchen, und eine
feste Routine gibt es eigentlich gar nicht, außer das morgendliche Zähneputzen
mit den Kindern. Manchmal ernten und verkaufen wir Bananen, manchmal malen wir
Poster, um die Klassen zu dekorieren, manchmal spielen wir Ball oder
Schwungtuch mit den Schülern, nehmen an Lehrermeetings teil, schminken die
Schüler, helfen bei Rechenaufgaben, kochen oder backen mit den Big Girls, arbeiten
im Garten, kümmern uns um Krankheitsfälle oder sind dabei, kleinere oder
größere Projekte zu planen, wie z.B. die Wasserrohrverlegung, neue Uniformen zu
schneidern oder einen Games Day zu organisieren. Für diesen Blogeintrag habe
ich ein paar Highlights aus den letzten drei Monaten zusammengestellt, damit
ihr euch einen kleinen Eindruck verschaffen könnt.
Vielleicht fange ich mal damit
an, dass wir Anfang Mai Mr. Matara, den Schulleiter, besucht haben. Er hat uns
zu sich eingeladen und darüber haben wir uns natürlich sehr gefreut! Er ist so
eine gute Seele und kümmert sich immer zuerst um das Wohl der Kinder. Sein Haus
zu besichtigen war für uns natürlich ziemlich spannend. Obwohl er als
Schulleiter aus der Belegschaft natürlich am meisten verdient, wohnt er einfach
und bescheiden. Da haben wir verglichen mit anderen Lehrer*innen schon
wesentlich luxuriösere Häuser gesehen.
Es ist wirklich schön, dass Mr.
Matara so eine ehrliche Haut ist und sich nie selbst an der Schule bereichern
würde. Korruption ist in Kenia ein großes Problem und von Vorfreiwilligen
haben wir gehört, dass es vor ihm einen Schulleiter gab, bei dem es nämlich
anders aussah… Die einzige Schwierigkeit daran, dass Mr. Matara so ein
unglaublich gutes Herz hat, ist, dass er sich gegenüber den Lehrern und
Lehrerinnen nicht wirklich durchsetzt, wenn es darum geht, sie zurechtzuweisen,
weil sie zu spät kommen oder ihre Arbeit nicht erledigen. Er ist immer sehr
nachgiebig und verständnisvoll. Das ist wohl auch mit ein Grund dafür, warum
manche die Situation ausnutzen und nur herumsitzen statt zu unterrichten. Wir
würden uns für die Schüler und Schülerinnen natürlich etwas anderes wünschen,
andererseits haben wir Mr. Matara total ins Herz geschlossen und könnten uns
niemand anderen an seiner Position vorstellen. Nächstes Jahr geht Mr. Matara in
Rente und wir sind gespannt, ob und wie sich die Schulsituation mit einer neuen
Leitung verändert.
Im Mai haben wir auch zwei Wochen
Besuch von Ben, einem Vorfreiwilligen, bekommen. Er hat während seines
Freiwilligendienstes eine Unmenge an Spenden sammeln können, die er
größtenteils in Bauprojekte für die Schule gesteckt hat. Zum Beispiel hat er
ein komplettes Wassersystem eingeführt, durch das Regenwasser in großen Tanks
gesammelt werden kann, hat das Dach der Dining Hall erneuert, ein Schultor
gebaut, eine Krankenschwester angestellt und ein Krankenzimmer dazu gebaut und
Biogasanlagen eingeführt (auch wenn die bis heute leider nicht funktionieren).
Man muss schon sagen, dass sich das Erscheinungsbild des Schulgeländes und die
Schulsituation durch die Arbeit von Via-Freiwilligen um Einiges verändert
haben. Maria, eine andere Vorfreiwillige, hat z.B. einen Physiotherapeuten
eingestellt, dessen Gehalt bis heute nur über Spenden aus Deutschland
finanziert wird. Eva hat damals den Bananengarten angepflanzt, ohne den der
Schule eine wichtige Einnahmequelle fehlen würde. Und ohne Sophias und Madlens
Wandmalereien sähen die Schlafräume der Schüler und Schülerinnen ziemlich trist
aus. Es ist schon krass, wenn man sich vorstellt, wie die Schule ohne die
Unterstützung von Spenden und Freiwilligenarbeit aussehen würde… Und dann wird
einem klar, wie desaströs wenig finanzielle Unterstützung die Schule von der
eigenen Regierung bekommt. Denn eigentlich ist es ja gar nicht unsere Aufgabe
als dahergelaufene deutsche Abiturienten (oder Azubis oder Studenten)
irgendeine Sonderschule in Kenia aufzumöbeln. Wir stopfen damit ja nur ein Loch,
für das eigentlich der kenianische Staatshaushalt herhalten müsste. Und ob das
langfristig eine gute Lösung ist, lässt sich meiner Meinung nach stark
anzweifeln. Doch es wird eben noch ein bisschen dauern, bis die Kenianer und
Kenianerinnen für die Rechte ihrer Mitbürger mit Behinderung auf die Straßen
gehen werden. Und bis dahin ist es für uns als Langzeitfreiwillige schwer, die Spendengelder aus Deutschland (die ja reichlich vorhanden sind) NICHT für einige Projekte einzusetzen, die offensichtlich effektiv und kurzfristig die Versorgungs- und Betreuungssituation in der Schule verbessern. Selbst wenn das keine langfristige Lösung ist...
Lange Rede, kurzer Sinn: Ben hat
uns besucht und noch einiges an Spendengeldern mitgebracht, was wir dann
einstimmig für den Bau eines neuen Spielplatzes verwendet haben (weil der alte
bereits kaputt und verrostet war). Innerhalb weniger Tage ist Ben von morgens
bis abends in Kisii rauf und runter gelaufen, um Materialien und Arbeiter zu
organisieren und hat auch beim Bau selbst kräftig mit angepackt. Herausgekommen
ist ein deutscher Abenteuerspielplatz von bester Qualität, der sich sehen
lassen kann und hoffentlich noch einige Jahre lang halten wird. Jetzt haben die
Schüler für die Nachmittage nach der Unterrichtszeit und die Wochenenden ein
paar neue Schaukeln, Wippen und Reckstangen, an denen sie sich vergnügen
können!
| Tobi und Gift |
| Mit Babu und Manoti |
Unsere eigenen Spendengelder
(bzw. die von mir und Nadine, einer Vorfreiwilligen), haben wir erstmal für
kleinere Ausgaben genutzt, z.B. um mit den Big Girls aus Bettys Klasse Chapati
backen und Ugali kochen zu können. Nachdem wir mehrmals hintereinander Mandazi
gebacken hatten, haben wir uns mit Betty dafür entschieden, dass sich die Fertigkeiten
der Mädels nicht nur darauf beschränken sollten, und haben ein bisschen
Abwechslung reingebracht.Die Chapatis, die wir mit Betty gebacken haben, waren
wohl die besten, die wir in unserer Zeit in Kenia gegessen haben! Aber auch ein
bisschen aufwändiger als Mandazi…
Ugali ist ein Maismehlbrei, den
man zusammen mit sukumawiki (eine Art Grünkohl), Tomaten und Zwiebeln isst. Das
Schöne daran war, dass wir den sukuma direkt aus unserem Schulgarten pflücken
konnten! Das schmeckte so frisch wie noch nie ;)!
| Das Gemüse waschen und schnippeln |
| Den Maismehlbrei kochen (das ist Schwerstarbeit!!) |
| Unser erster selbstgekochter Ugali :) |
Was wir außerdem noch finanziert
haben (weil der Auftrag an die Regierung abgelehnt wurde), waren Wolle, Matten
und Häkelnadeln, um mit den Big Girls Matten zu häkeln, und Perlen, Schnüre und
Verschlüssen, um Ketten und Ohrringe zu basteln. Man merkt richtig, wie die
Schülerinnen in der praktischen Arbeit aufgehen. Sie machen dann etwas, was sie
richtig gut beherrschen (oder auch gut lernen können) und sehen am Ende ganz
stolz das Resultat ihrer Arbeit. Eigentlich sollten die Schüler und
Schülerinnen der Special School (wie in Behindertenwerkstätten in Deutschland
z.B.) viel mehr praktische Arbeit machen, weil sie es besser können und es
ihnen mehr Spaß macht. Aber hier fehlt es eben am Geld, um die Materialien
bereitstellen zu können, und sicherlich auch an Engagement der Lehrer und
Lehrerinnen, sich mehr dafür einzusetzen. Wir können da nur kurzfristig Abhilfe
verschaffen, da auch dieses Material irgendwann wieder aufgebraucht sein wird…
Aber so haben die Mädels im letzten Term immerhin ein bisschen was zu tun
gehabt (und wir auch ;)!).
| Hier entsteht ein Zebra :) |
Einen anderen Tag im Mai haben
wir uns genommen, um mal ordentlich unser Office auszumisten. Aus 7 Jahren
Freiwilligenarbeit hatte sich da einiges angehäuft, was in der Zwischenzeit
teilweise oder gänzlich unbrauchbar geworden war. Es war ein schönes Gefühl,
endlich mal komplett sauber zu machen, auch wenn wir damit ziemlich vielen
Spinnen und vier Mäusen ihren Lebensraum zerstört haben (letztere sind
inzwischen aber glaube ich wieder eingezogen).
| Verspäteter Frühjahrsputz ;) |
Zum Abschluss haben wir dann noch
die Office-Tür neu gestrichen und neue Vorhänge gekauft und so erstrahlt das
Office nun in neuem Glanz :)! Mal schauen, wie lange das bei den ganzen
kleinen, dreckigen Patschehänden so anhält ;)…
Wo wir gerade dabei sind, haben wir auch das Lehrerzimmer ein wenig verschönert. Dort hängt nun ein "German Board", auf dem alle bisherigen Via-Freiwilligen in der Special School mit Foto und Heimatstadt verewigt sind. So kann man mit den Schülern und Schülerinnen ganz toll "Wer ist wer?" spielen und auch für die Lehrer ist es eine schöne Erinnerung!
Ein Highlight war sicherlich
auch, dass wir noch ein Mal schwimmen waren! Wir haben diesmal ein paar andere
Schüler und Schülerinnen mitgenommen als das letzte Mal und hoffen, dass wir es
schaffen, vor den Ferien noch ein Mal schwimmen zu gehen, damit möglichst viele
in den Genuss gekommen sind. Es macht den meisten immer total viel Spaß und ist
sicherlich eine schöne Abwechslung zum Schulalltag!
| Mit (meinem heimlichen Liebling) Geoffrey |
| Plantschspaß mit Tobi |
| Marie (dänische Freiwillige) und Wendy |
Kurz bevor die dänischen
Freiwilligen abgereist sind, die hier in Kisii 5 Monate lang im Kinderheim, in
der Grundschule und sogar eine (Marie) auch in der Special School gearbeitet
haben, haben wir die Gelegenheit nochmal genutzt, um einen Games Day zu
veranstalten. Mit mehreren Betreuer*innen schafft man es nämlich gut, auf dem
Schulgelände mehrere Stationen aufzubauen, an denen die Schüler kleine Spiele
spielen bzw. Aufgaben meistern müssen. Sie wurden dann in Fünfer- bis
Zehnergruppen von den Lehrern von Station zu Station geführt und haben von
Topfschlagen über Sackhüpfen bis Eierlaufen wieder alles super mitgemacht :)!
Es war toll, dass sich die Dänen dafür freinehmen und uns dabei helfen konnten!
Ein Highlight, was noch nicht
allzu lang zurück liegt, war der Jahrmarkt im Stadion von Kisii. Jedes Jahr
findet dort eine „Agricultural Show“ statt, bei der viele Vereine, Firmen und
Privatleute Ausstellungen über landwirtschaftliche Themen, Prozesse und
Produkte eröffnen. Man kann dort die schönste Kuh Kenias betrachten, sich die
Anpflanzung von Mais erklären lassen oder selbstgemachten Honig kaufen (wo wir
natürlich gleich zugeschlagen haben ;)!). Außerdem gibt es einen großen Rummel,
wo man Kettenkarussell fahren, Hüpfburg springen oder Zuckerwatte essen kann.
In den letzten Jahren durften die Schüler der Special School mit Erlaubnis des
Vorsitzenden der Show immer umsonst die Ausstellungen besuchen und haben sogar
gratis Mittagessen bekommen. Allerdings war dieses Jahr die dafür verantwortliche Lehrerin sehr
beschäftigt damit, ihre „Teaching Practice“ (eine Art Lehrerprüfung) abzulegen,
und hat sich zu spät darum gekümmert. So mussten wir dann doch mal wieder an
unsere Spenden ran, um den Schülern einen schönen Ausflug bereiten zu können.
Auch wenn wir uns zuerst uneins waren, ob es eine gute Idee ist, mit 27 Menschen
unterschiedlichen Alters mit geistiger Behinderung von unterschiedlicher
Ausprägung auf einen überfüllten Jahrmarkt zu gehen, hat es dank der guten
Betreuung super funktioniert! Es sind nämlich einige Lehrer und Lehrerinnen
mitgekommen und Annas Vater und Bruder, die gerade zu Besuch waren, haben sich
auch noch angeschlossen. So wurde es ein echt schöner Ausflug und Mikes
Lächeln, als er im Riesenkettenkarussel saß, hättet ihr mal sehen sollen ;)!
| So einen Riesenbullen trifft man selbst in Kenia nur selten... |
| Im Riesenkettenkarussell |
| Und die Angsthasenvariante ;) |
| Im Kinderparadies |
| ... und Tobi und Anna mittendrin ;)! |
Ein letztes Projekt, über das ich noch berichten möchte, ist der Hausbau. Vielleicht fange ich mal von vorne damit an, dass wir eine ziemlich hohe Summe an Spendengeldern zusammenhatten, die wir irgendwie sinnvoll für die Schule einsetzen wollten. Deswegen haben wir die Lehrer und Lehrerinnen um Rat gefragt, weil sie die Schulsituation schließlich schon länger und besser kennen als wir. Die Lehrer haben sich dann in einem Komitee zusammengesetzt und sind auf die Idee gekommen, dass es gut wäre, ein Haus für einen Hausmeister zu bauen, der dann unter der Woche 24 Stunden lang und auch einen Tag am Wochenende auf dem Schulgelände wohnen und Aufsicht führen könnte. Es wird die Lebensqualität der Schüler wirklich verbessern, wenn es besonders abends und morgens und am Wochenende, wenn die Lehrer nicht da sind, außer den zwei Hausmüttern noch eine zusätzliche Aufsichtsperson gibt, die schaut, dass die Hausmütter ihre Arbeit vernünftig machen, sich um die Kinder kümmert und nachts für mehr Sicherheit sorgt. Kefah, ein Lehrer unserer Schule – der mit Abstand engagierteste, dem wir auch völlig vertrauen – hat angeboten, diesen Job unentgeltlich zu machen, wenn er dafür umsonst auf dem Schulgelände wohnen kann. Wir haben dann eigentlich nicht mehr viel gemacht als das Geld bereitzustellen. Kefah hat das Material und die Arbeiter organisiert und sich mit voller Begeisterung an den Bau seines neuen Zuhauses gemacht. Allerdings hat Mr. Matara nochmal betont, dass das Haus jetzt Eigentum der Schule ist. Sobald Kefah in Rente geht, wird ein anderer die Rolle des Hausmeisters übernehmen und dort einziehen.
| Der Hausbau beginnt... |
Den kleinen Rest an Spendengeldern, der trotzdem (man glaubt es nicht) immer noch übrig ist, benutzen wir für kleinere, temporäre Dinge. Z.B. kaufen wir seit geraumer Zeit jeden Donnerstag Früchte ein, um am Freitag den „Fruit Friday“ zu machen. Dann bekommen die Schüler*innen immerhin ein Mal in der Woche zu den Kohlehydraten und Proteinen auch frische Früchte (abgesehen von den Bananen aus dem Garten) dazu, wie z.B. Ananas, Avocado,Mango, Orange oder Melone. Das lockert die doch recht einseitige Ernährung in der Schule etwas auf.
| Sooooo viel Avocado!!! |
| Lecker Melone :) |
Wie bei allen Aufgaben, die wir während unseres Freiwilligendienstes in der Special School übernommen haben, frage ich mich auch hier bis heute: War das wirklich sinnvoll? Was ist der langfristige Nutzen? Und dann führt das bei mir schnell zu einer Ernüchterung. Ist es wirklich sinnvoll, den Kindern aus der einen Klasse morgens immer die Zähne zu putzen, weil sich die Lehrerin nicht darum kümmert? Für uns ist es zwar eine Beschäftigung und für die Kinder ist es natürlich auch gut, aber wenn wir weg sind, ist die Lehrerin wieder auf sich allein gestellt und wer putzt dann den Kindern die Zähne? Ich habe immer mehr das Gefühl, dass unsere Arbeit als Freiwillige in der Schule nicht wirklich nachhaltig ist. Sie tut zwar den Kindern für den Moment lang gut, aber wenn wir wieder weg sind, bleibt davon nicht mehr viel übrig. Es sei denn, es kommen neue Freiwillige, die diese Aufgaben übernehmen. Aber ist das der Sinn vom Freiwilligendienst? Dass die Schule oder die Schüler und Schülerinnen von unserer Hilfe abhängig werden? Genauso bezieht es sich auf Spenden. Das verbessert zwar im ersten Moment die Schulsituation, aber verändert nicht, dass der Spielplatz irgendwann wieder morsch sein wird, dass das Bastelmaterial ausgehen wird und dass die Schule selbst nicht genug Geld hat, um diese finanziellen Löcher flicken zu können. Einerseits aus dem Grund, weil viele Eltern die Schulgebühren nicht bezahlen können, und andererseits, weil die Schule nicht genug finanzielle Unterstützung von der Regierung bekommt. Doch was kann man dagegen tun? Man könnte die Schüler und Schülerinnen, deren Eltern die Gebühren nicht bezahlen, aus der Schule nehmen, aber das heißt, dass die betroffenen Kinder darunter leiden müssten. Kenianische Eltern kümmern sich nämlich lieber erstmal um ihre gesunden Kinder, weil diese natürlich größere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, um später die Familie zu unterstützen, bevor sie ihr (teilweise knapp bemessenes) Geld in ihre Kinder mit Behinderung investieren. Und die Lehrer gehen zwar jedes Jahr für mehr Gehalt auf die Straßen, würden aber nicht dafür demonstrieren, der Schule mehr Geld zur Verfügung zu stellen, damit es den Schülern und Schülerinnen besser geht. Und wir Freiwillige sind in diesen zwölf Monaten ja auch nicht hier, um die kenianische Gesellschaft und den Staatshaushalt umzukrempeln. Also haben wir beschlossen, für den Zeitraum, den wir hier sind, einfach das zu tun, was für die Schüler und Schülerinnen am besten ist. Wir versuchen, uns möglichst viel mit ihnen zu beschäftigen und die Situation in der Schule so zu verändern, dass es ihnen besser geht. Und ich bin mir sicher, dass ihnen allein unsere Aufmerksamkeit und Zuneigung, die wir ihnen jeden Tag gegeben haben, nur gut getan haben kann!
Aber auf lange Sicht habe ich
einfach gemerkt, dass meine „Hilfe“ hier in Kisii langfristig nicht nützlich
und genauer betrachtet sogar kontraproduktiv sein kann. Wir versuchen hier
Defizite zu kompensieren, die wahrscheinlich ohne die skrupellose Ausbeutung
durch die Industrieländer in der Zeit der Kolonialisierung und ohne die immer
noch bestehende Abhängigkeit der wirtschaftlich schwachen Länder von den
westlichen „Geberländern“ und den Investitionen der Großkonzerne gar nicht
existieren würden. Und dabei fallen wir genau in die Rolle der Weißen „Helfer“
oder „Geldgeber“ rein, die wir eigentlich als Freiwillige gar nicht annehmen sollen
und wollen, und unterstützen damit das nachkoloniale Machtverhältnis. Ich denke, dass so ein Konzept wie das weltwärts-Programm gut funktionieren
kann, wenn der interkulturelle Austausch auf Augenhöhe passiert und die
Freiwilligen mehr eine Art Praktikanten sind, die lehrreiche Erfahrungen in
einem Betrieb in einem anderen Land machen können. Aber dafür ist das
wirtschaftliche und machtpolitische Verhältnis zwischen den Ländern des Globalen Südens und den Ländern des
Globalen Nordens einfach noch zu sehr in einer Schieflage. Dazu kommt, dass der
Austausch ziemlich einseitig abläuft. Das Reverse-Programm ist zwar seit ein
paar Jahren angelaufen, aber es gibt immer noch viel zu wenige junge Menschen,
die aus Ländern wie Peru, Kenia oder Indien für einen ähnlichen
Freiwilligendienst nach Deutschland kommen können. Und dort genießen sie längst nicht die Privilegien und Verantwortungspositionen, die deutsche Freiwillige in Einsatzstellen in Ländern des Globalen Südens gewohnt sind. Eine offene und kluge Kritik an der Theorie und Praxis von Freiwilligendiensten und noch viel mehr Lesenswertes zu Themen wie Rassismuskritik und nachkoloniale Abhängigkeit bietet übrigens die Broschüre "Wer andern einen Brunnen gräbt...".
Für mich selbst habe ich einfach
festgestellt, dass meine „Hilfe“ woanders angebracht ist. Ich möchte mich viel
lieber in Deutschland engagieren und dort etwas am Denken und Handeln der
Menschen bewegen, denn unsere Lebensweise hat einen großen Einfluss darauf, wie
die Situation hier in Kenia oder in anderen Ländern des Globalen Südens
aussieht. Um die Welt zu verändern, muss man doch irgendwie immer bei sich
selbst anfangen. Genauso finde ich es sinnvoller, in meinem Heimatland etwas zu
verändern, anstatt in ein fremdes Land mit einer fremden Kultur zu gehen und dort Entwicklungsarbeit leisten zu wollen. Denn Entwicklungsbedarf in Deutschland gibt es genug: Unterstützung von
Organisationen, die sich gegen Rassismus und andere
Diskriminierungsverhältnisse und für Chancengleichheit, Teilhabe und
Partizipation engagieren, Kampagnenarbeit gegen deutsche Pharma- und
Waffenindustrie, Armutsbekämpfung und Beratung von deutscher Politik und
Verwaltung zur internen Korruptionsbekämpfung, um nur einige Beispiele zu nennen.
Ich hoffe, dass mein Blog euch vielleicht einen kleinen Einblick in die Situation hier vor Ort gegeben hat. Dass dabei rübergekommen ist, dass die gesellschaftliche Realität hier wenig mit den Stereotypen und Klischeebildern zu tun hat, die bei uns in Deutschland durch die Medien gehen. Dass Geldspenden zwar recht schnell und einfach das Gewissen befriedigen können, aber nicht unbedingt das Problem an der Wurzel packen. Und dass kleine Veränderungen der eigenen Lebensweise (wie z.B. bewusster Konsum, politische Bildung und Aufklärung, politisches Engagement) im Großen viel bewegen können. Und das sind zwar alles nur kleine Schritte, aber meiner Meinung nach die richtige Richtung. Und wir sind auf einem guten Weg :). Und wie heißt es nicht im Buddhismus: „Der Weg ist das Ziel.“. In dieser Hinsicht hat mir der Freiwilligendienst wirklich die Augen geöffnet. Ich wurde (und werde immer noch) in Kenia mit meinen eigenen Vorurteilen und Klischees konfrontiert und lerne langsam, meine eigenen teils automatischen Handlungsweisen und Denkmuster kritisch zu hinterfragen und über die Konsequenzen meiner Handlungen im globalen Kontext nachzudenken. Außerdem habe ich angefangen, die deutsche und europäische Gesellschaftsführung und Politik viel kritischer zu sehen, einfach, weil ich das Ganze mal von der "anderen Seite" aus betrachtet habe. Und ich glaube, da bin ich zum Glück nicht die Einzige. Kritik an der jetzigen Flüchtlingspolitik und Engagement für die Flüchtlinge in Deutschland sind nur ein Punkt, an dem man anfangen kann und an dem ich, zurück in Deutschland, auch anfangen möchte. Der weltwärts-Freiwilligendienst bezeichnet sich selber ja auch als "Lerndienst" und diese Funktion hat er für mich auf jeden Fall erfüllt. Deswegen würde ich ihn auch unbedingt weiterempfehlen!
Ich hoffe, dass mein Blog euch vielleicht einen kleinen Einblick in die Situation hier vor Ort gegeben hat. Dass dabei rübergekommen ist, dass die gesellschaftliche Realität hier wenig mit den Stereotypen und Klischeebildern zu tun hat, die bei uns in Deutschland durch die Medien gehen. Dass Geldspenden zwar recht schnell und einfach das Gewissen befriedigen können, aber nicht unbedingt das Problem an der Wurzel packen. Und dass kleine Veränderungen der eigenen Lebensweise (wie z.B. bewusster Konsum, politische Bildung und Aufklärung, politisches Engagement) im Großen viel bewegen können. Und das sind zwar alles nur kleine Schritte, aber meiner Meinung nach die richtige Richtung. Und wir sind auf einem guten Weg :). Und wie heißt es nicht im Buddhismus: „Der Weg ist das Ziel.“. In dieser Hinsicht hat mir der Freiwilligendienst wirklich die Augen geöffnet. Ich wurde (und werde immer noch) in Kenia mit meinen eigenen Vorurteilen und Klischees konfrontiert und lerne langsam, meine eigenen teils automatischen Handlungsweisen und Denkmuster kritisch zu hinterfragen und über die Konsequenzen meiner Handlungen im globalen Kontext nachzudenken. Außerdem habe ich angefangen, die deutsche und europäische Gesellschaftsführung und Politik viel kritischer zu sehen, einfach, weil ich das Ganze mal von der "anderen Seite" aus betrachtet habe. Und ich glaube, da bin ich zum Glück nicht die Einzige. Kritik an der jetzigen Flüchtlingspolitik und Engagement für die Flüchtlinge in Deutschland sind nur ein Punkt, an dem man anfangen kann und an dem ich, zurück in Deutschland, auch anfangen möchte. Der weltwärts-Freiwilligendienst bezeichnet sich selber ja auch als "Lerndienst" und diese Funktion hat er für mich auf jeden Fall erfüllt. Deswegen würde ich ihn auch unbedingt weiterempfehlen!
Ich bin zwar bald am Ende meiner Reise in
Kenia angelangt, aber habe auch schon ein neues Reiseziel vor Augen. Die
Master-Bewerbungen sind abgeschickt und ich bin gespannt, wohin es mich
verschlägt. Der Abschied von Kisii, von der Special School und von unseren
Freunden wird sicherlich sehr hart werden… Denn aufgrund der Entfernung kann
man eben nicht einfach mal so wieder vorbeischauen. Und der Clash der beiden
Lebensrealitäten Kenia-Deutschland, der sich am 26.08. innerhalb von 24 Stunden
vollziehen wird, wird bestimmt auch nicht so einfach. Aber jetzt denke ich
erstmal nicht zu sehr darüber nach und versuche noch, die letzten Wochen in der
Schule und in Kenia zu genießen. Mehr denn je mache ich mir mein Motto „on a
journey to NOW HERE“ bewusst. Denn Glück kann man nur im gegenwärtigen Moment
finden. Es ist der einzige Moment, den wir haben.