Samstag, 14. Februar 2015

Die Zeitmaschine



Es ist Sonntag, der 1. Februar 2015, und draußen knallt die Sonne vom blauen Himmel. Es ist Trockenzeit hier in Kisii und so warm wie schon lang nicht mehr. Heute Nachmittag wollen Anna und ich ins Schwimmbad gehen und man kann sich kaum vorstellen, dass es in Deutschland mittlerweile Minusgrade sind und der Schnee seelenruhig vom Himmel fällt als wäre es das Normalste der Welt. Während die Jahreszeiten in Kisii stehen geblieben zu sein scheinen und es für uns quasi seit fünf Monaten Sommer ist, vergeht die Zeit nichtsdestotrotz wie im Flug. Wo sind die letzten zwei Monate nur geblieben? Wir waren so viel unterwegs, haben so viel Neues gesehen und so viele unterschiedliche Eindrücke gesammelt. Ich glaube, wenn ich nicht diesen Blog schreiben würde, käme ich gedanklich gar nicht mehr hinterher. In meinem Kopf schwirrt ein buntes Kaleidoskop aus Bildern, Geräuschen, Gerüchen und Gesprächen umher, das sich aus dem Raum- und Zeitkontinuum fast losgelöst zu haben scheint. Zwei Monate. Vier afrikanische Länder. Das klingt so unglaublich wie es ist. Nach unseren Abenteuern in Uganda, den kenianischen Nationalparks und Silvester in Südafrika stellte Tansania die letzte Etappe unserer kleinen Afrikareise dar. 

Was uns auf dieser Reise erwartete war eine 18-stündige Fahrt in dem heruntergekommensten Reisebus, den ich je gesehen habe. Er war abgenutzt und stickig und vorne fehlte sogar die Motorhaube. Mir war es allerdings relativ gleichgültig, da ich nur froh war, in irgendeinem Gefährt zu sitzen, in dem ich halbwegs schlafen konnte. Insgesamt dauerte unsere Fahrt von Kisii über Nairobi bis nach Dar-Es-Salaam über 24 Stunden und am Ende konnten wir nur das hoffnungsvolle Fazit ziehen, dass wir auf dem Rückweg eine bessere Busgesellschaft wählen würden und die Rückfahrt angenehmer werden würde… Dagegen muss man sagen, dass uns in Tansania mal wieder eine unglaublich schöne Landschaftssafari erwartete. Im Gegensatz zu Uganda, das wir hauptsächlich als sattgrüne Dschungellandschaft wahrgenommen haben, würde ich die tansanische Landschaft vor allem als eine Mischung aus orange und hellgrün beschreiben. Auf der Fahrt durch den Norden Tansanias tun sich beeindruckende Felsformationen vor einem auf, die spärlich mit hellgrüner Vegegation bedacht sind und vor denen das Orange des staubigen Bodens nur so leuchtet. Die vereinzelten Siedlungen wirken mit ihren pastellfarbenen Steinhäusern ungewöhnlich gediegen und gepflegt. Es ist faszinierend zu sehen, wie sich die ostafrikanischen Nachbarländer teilweise unverkennbar ähneln und wie sie doch alle ihre besonderen Eigenarten aufweisen.

 
Stoffmarkt in Dar-Es-Salaam


In Dar-Es-Salaam fand das Zwischenseminar unserer Entsendeorganisation Via e.V. statt, sodass uns sogar die Reisekosten finanziert wurden.Nachdem dies schon das gefühlt tausendste Seminar in meinem Leben war, hätte ich nicht gedacht, dass es mir persönlich doch noch so viel bringen würde. Ich merkte, wie ich im Laufe der Woche aus der einen oder anderen Sackgasse wieder herausfand, in die ich in der letzten Zeit im Alltag oder in der Schule gelaufen war. Außerdem konnte ich endlich mit meinem „Tansania-Traum“ abschließen, der mich in der Anfangszeit von Kenia noch verfolgte. Aus einer leidenschaftlichen Eingebung heraus wollte ich nämlich ursprünglich nach Tansania und nicht nach Kenia gehen. Ich hatte mir ein Wunschprojekt in Dar-Es-Salaam herausgepickt, auf das ich alle meine Hoffnung gesetzt hatte und bei dem ich prompt abgelehnt wurde. Mein chinesischer Glückskeks hatte Folgendes dazu zu sagen: „If we can’t get what we like, let us like what we can get.“ Ich habe ziemlich genau ein Jahr gebraucht, um diesen Satz für mich zu verwirklichen, und er ist inzwischen wie eine Art Motto für mein Jahr hier in Kenia geworden. Der Aufenthalt in Dar-Es-Salaam hat mir dabei nochmal deutlich geholfen, da ich ironischerweise genau die Freiwillige kennen lernte, die „mein“ Projekt bekommen hatte und zu allem Überfluss auch noch perfekt Kiswahili sprechen gelernt hatte.
Ein großer Unterschied zwischen Tansania und Kenia ist nämlich, dass man in Tansania mit Englisch fast gar nicht weiter kommt und man dadurch fast automatisch Kiswahili lernt. Nach der Besetzung durch die Deutschen (1891-1919) und die Briten (1919-1961) bemühte sich nämlich der erste Präsident Tansanias, Julius Nyerere, wie kein anderer um die gemeinsame Identität und Einheit des Landes und konnte Kiswahili als Ethnien übergreifende Landessprache durchsetzen. Ihm ist es zu verdanken, dass bei 130 verschiedenen Ethnien in Tansania keine die Oberhand gewonnen hat und alle friedlich miteinander leben. Von dieser inneren Stabilität kann das Nachbarland Kenia nur träumen, in dem die Spannungen zwischen den dominanten Kikuyu und den anderen Volksgruppen (v.a. Luo) regelmäßig zu politischen Konflikten führen. (Quelle: „KulturSchock Tansania“ von Reise Know-How)

 
Ein "Dalla-Dalla", das tansanische Matatu


Doch das nur am Rande. Ich saß also endlich in meinem Traumland Tansania und musste mich damit abfinden, dass das Leben nun mal kein Wunschkonzert ist. Und ob ihr’s glaubt oder nicht, es hätte mir nichts Besseres passieren können als dieser Kurzaufenthalt in Dar-Es-Salaam. In der inoffiziellen Hauptstadt Tansanias ist es nämlich sehr laut, voll, staubig, feucht und heiß. In der kurzen Zeit, in der ich dort war, hat sich jede kleinste Verletzung an meinem Körper theatralisch entzündet und tagsüber sowie nachts konnte man es eigentlich nur in Räumen mit Ventilatoren oder Klimaanlagen aushalten. Jede Fahrt im überfüllten Dalla-Dalla (die tansanische Version von Matatus) wurde zur Mehrpersonensauna, während man in den vollgestopften Straßen im Stau stand. Wunschprojekt hin oder her, am Ende war ich wirklich froh, wieder in unserer Kleinstadt Kisii zu sein, in der eine Fahrt von einem bis zum anderen Ende mit dem Piki-Piki gerade mal drei Minuten dauert, während einem immer eine kühle Brise um die Nase weht.Im Grunde ist es ja auch ein Luxusproblem, einen vom Staat unterstützten einjährigen Auslandsaufenthalt nicht in genau dem Land zu bekommen, das man sich wünscht. Ich glaube, es ist wichtig, sich immer wieder bewusst zu machen, wie dankbar man für all die Dinge sein kann, die man hat.



Wir "Kenianer" mit der Tansania-Freiwilligen Anna (links)
Neben einer kleinen Shoppingtour über den Stoffmarkt Dar-Es-Salaams unternahmen wir mit der Seminargruppe noch einen Ausflug nach Bagamoyo. Dies ist eine tansanische Küstenstadt, die früher einmal der Dreh- und Angelpunkt des Sklavenhandels gewesen war. Aus dem tansanischen Inland wurden tausende von Sklaven über Handelsrouten bis zur Küste verschleppt und von dort aus nach Sansibar gebracht, wo sie entweder direkt auf Plantagen arbeiten mussten oder weiter in französische Kolonien im Indischen Ozean (Mauritius und Réunion) und in arabische Länder verschifft wurden. 

 
Am Strand von Bagamoyo


 
Transportbedingungen auf einem Sklavenschiff



Zwar war der Westen Afrikas am Schlimmsten vom Sklavenhandel betroffen, aber auch in Ostafrika begann das grausame Geschäft ab dem frühen 19. Jh. zu boomen. Um 1840 entwickelte sich Sansibar zu einem der größten Sklavenmärkte der Welt (Quelle: Reisehandbuch „Kenia, Tansania“ von DuMont). In Bagamoyo besuchten wir ein Museum über die Geschichte des Sklavenhandels. Während einige von uns es in einer halben Stunde durch das kleine Museum schafften, konnte ich mich nur langsam durch die schwer verdaulichen Informationen kämpfen. Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern, als ich vor einer originalen Eisenkette stand, mit der damals die Sklaven gefesselt wurden, während es mir kalt den Rücken herunterlief. 




Für uns ist so ein Ausflug wie ein kleiner Abstecher in einen Horrorfilm, aus dem man dann am Ende herausgehen kann, mit dem guten Gefühl, dass uns das ja zum Glück nicht betrifft. Trotzdem ist diese Sklavenarbeit Teil unserer Geschichte und auch ein Grund dafür, dass der enorme industrielle und wirtschaftliche Aufschwung in Europa erst möglich wurde. Und obwohl die Sklavenarbeit inzwischen offiziell abgeschafft wurde, ist sie auch heute noch ein aktuelles Problem. Im Jahr 2013 gab es weltweit 30 Millionen Sklaven. Am stärksten davon betroffen sind Länder im südlichen Asien und Westafrika (siehe "The Global Slavery Index 2013"). Mit den Produkten, die wir kaufen, unterstützen wir Sklavenarbeit weltweit. "Usbekische Kinder pflücken Baumwolle für unsere T-Shirts, brasilianische Männer ernten Zuckerrohr unter unmenschlichen Bedingungen für uns und kleine Jungen im Kongo schuften in Minen, um die Rohstoffe für unsere Smartphones abzuschöpfen." (Die Welt, 01.12.2014) Auf der Website slaveryfootprint.org kann man sogar ermitteln, wie viel Zwangsarbeit und wirtschaftliche Ausbeutung man selbst mit seiner eigenen Konsumentscheidung unterstützt. Doch auch in Deutschland arbeiten heutzutage nach Angaben der Welt noch mehr als 10.000 Menschen in Zwangsarbeit, vor allem in der Landwirtschaft, der Pflege, dem Hotelgewerbe und der Schlachtindustrie.  Und das sind nur einige Beispiele dafür, dass uns das Thema auch heutzutage sehr wohl noch betrifft.

 
Fahrt nach Sansibar mit Blick auf Dar-Es-Salaam

Nach dem Seminar verbrachten Anna, Luisa, Miri und ich noch ein paar Tage auf Sansibar und besuchten die dortigen Via-Freiwilligen Anna und Sophia. Als wir mit der Fähre das Meer überquerten, meinte Lu zu mir: „Kannst du dir vorstellen, dass die Sklaven damals denselben Weg zurückgelegt haben wie wir gerade?“ Nur dass die Sklaven etwas wesentlich anderes erwartete als ein angenehmer Kurzurlaub… 

 
Boote vor Sansibars Küste


Auf Sansibar besuchten wir noch den ehemaligen Sklavenmarkt, auf dessen Platz eine Kirche als Denkmal errichtet worden war. Früher wurden hier die Sklaven an einen Baum gebunden und ausgepeitscht, um ihr Durchhaltevermögen und damit ihren Marktwert zu bestimmen. An dieser Stelle ist heute ein heller Kreis in den Marmorboden der Kirche eingelassen, der von rotem Marmor umgeben ist, das Blut symbolisieren soll. 



Außerdem besuchten wir die Sklavenhöhlen, in der die Menschen teilweise zu siebzigst in einem kleinen, engen Raum zwei bis drei Tage lang wie Tiere gehalten wurden, biswieder Markttag war. Das Ausmaß dieses Elends war für uns schlicht und einfach nicht zu begreifen.



Das ist die unschöne Seite des berühmt berüchtigten Sansibar und sicherlich nicht diejenige, für die es bekannt ist. Sansibar – Das heißt doch eigentlich: weiße Sandstrände, türkisblaues Wasser und raschelnde Palmenblätter in der lauen Abendluft. Ja, sicherlich, diese Szene findet man auch auf Sansibar. Dabei ist Sansibar noch viel mehr als das. Zuerst einmal ist Sansibar gar keine Insel wie man meinen möchte, sondern ein Insel-Archipel, das aus der Hauptinsel Unguja (landläufig als Sansibar bezeichnet) und an die 50 weiteren kleineren Inseln besteht. Erst 1964 wurde Sansibar (San) mit dem Festland „Tanganyika“ (Tan) vereint und zur Nation „Tansania“ erklärt. Bis heute behält es einen semi-autonomen Status und wählt seinen eigenen Präsidenten. Im Gegensatz zum Festland, wo die Mehrheit der Tansanier christlich ist, sind auf Sansibar fast hundert Prozent Muslime. Das erklärt auch, warum es immer wieder zu Auseinandersetzungen bis gewaltsamen Zwischenfällen mit Touristen kommt, die ihren wohlverdienten Privaturlaub als Grund genug nehmen, sich alles zu erlauben und in rein muslimischen Gegenden im Bikini herumzulaufen.

Marktszene auf Sansibar
Vor allem ist Sansibar ein Schmelztiegel der Kulturen. Aufgrund der strategisch günstigen Lage war die Hauptinsel früher die Handelsdrehscheibe für Kaufleute aus Indien und arabischen Ländern und wurde zeitweise sogar zum Hauptsitz des omanischen Sultans Sayyid. Noch heute sind die Einflüsse der vielen verschiedenen Kulturen auf Sansibar deutlich spürbar. Man kann sie sehen, hören, riechen und schmecken. Wenn man durch die kleinen Gassen Stonetowns schlendert, in denen die weiß getünchten Häuser dicht an dicht stehen, kann man die wunderschönen arabischen Ornamente in den Holztüren bestaunen. In den Läden findet man eine Mischung aus afrikanischem Kleinkunstwerk, bunten Tüchern und indischem Schmuck. Bei einer Tasse Gewürztee kann man die kunstvollen Hennazeichnungen auf den Händen der Frauen betrachten, die in ihren schwarzen Gewändern vollständig verhüllt vorbei eilen. Abends, wenn die Stadt in ein sanftes Zwielicht getaucht wird, hört man den Ruf des Imam durch die Gassen klingen. Und falls man nochmal Hunger bekommt, kann man später noch auf den „Night Market“ gehen, der einen mit einer Duftwolke aus gebratenem Fleisch, frittierten Meeresfrüchten und allerlei sonstigen Leckereien empfängt. Hier ein paar Eindrücke:









 
Auf dem Gewürzmarkt








 
Auf dem Stoffmarkt

 
Sonnenuntergang am Strand von Nungwi


 
Auf dem Night Market


Trotz allem wollten wir uns natürlich auch das „Urlaubsparadies Sansibar“ nicht entgehen lassen und unternahmen ein paar kleinere und größere Ausflüge an den Strand und die umliegenden Inseln.

Eine Dhow - ein typisches Segelschiff auf dem Indischen Ozean

 
Fahrt nach Prison Island


Blick auf Prison Island
Mit einem kleinen Boot fuhren wir auf eine Insel, wo es Riesenschildkröten gab. Und mit „Riesen-“ meine ich wirklich riesig!! „Giant Turtoises“ nannten sich die Dinger und waren so groß, dass man auch locker drauf hätte reiten können (wenn es nicht durch ein Verbotsschild explizit untersagt gewesen wäre). Es war beeindruckend, den großen Tieren beim Fressen zuzuschauen, und sie sahen ein bisschen aus wie die Dinosaurier der Neuzeit. Später erwischten wir sie sogar beim Geschlechtsverkehr, was für die Riesen ein ziemlicher Kraftakt gewesen sein muss. Das war eine, ähm, ich sag mal außergewöhnliche Szene. „Riesenschildkröten beim Sex“ – definitiv filmreif. Danach gingen wir noch im türkisblauen Wasser schwimmen und sonnten uns am weißen Sandstrand.





 
Auf Tuchfühlung mit Riesenschildkröten


Unser zweiter Bootsausflug war noch etwas abenteuerlicher. Mit dem Boot fuhren wir raus auf die offene See, da wir auf der Suche nach Delfinen waren. Teilweise waren die Wellen so hoch, dass wir mit dem Boot aus zwei Metern Höhe aufs Meer platschten und uns das Wasser nur so um die Ohren klatschte. Mir hat das sehr viel Spaß gemacht, aber Anna und Luisa wurden dabei leider auch ziemlich seekrank. 



Wir starteten vom Norden aus, obwohl die Delfintouren normalerweise im Süden stattfinden. Doch eine deutsche Urlauberin hatte uns erzählt, dass dort die kommerziellen Touren sogar die Tierschützer auf den Plan rufen, da die Tiere dort meist zusammengetrieben werden, um als Spielzeuge für die Touristen herzuhalten. Sie konnte uns Marco Polo, einen privaten Anbieter,  vermitteln, der mit uns auf seinem Boot raus aufs Meer fuhr und die Delfine suchte, ohne sie in ihrer natürlichen Umgebung und Verhaltensweise zu stören. Das hieß allerdings auch, dass es nicht sicher war, ob wir welche finden würden.

 
Delfiiiiine!!!
Umso glücklicher waren wir dann, als es hieß: „Look overthere! Dolphins!“ Und tatsächlich, in unmittelbarer Entfernung zu unserem Boot sprangen abwechselnd ein Dutzend Delfine aus dem Wasser. Sofort schnappten wir uns unsere Flossen und Taucherbrillen und sprangen auf „3 – 2 – 1 “ ins offene Meer. 

 
3...2...1...

 
Mit Delfinen schwimmen


Ich hatte Glück und landete direkt über einer Gruppe Delfine, die unter mir durchs Wasser gleitete. Die Tiere bewegten sich unglaublich grazil und elegant. Sie drehten sich verspielt von einer Seite auf die andere und wenn man nah genug dran war, konnte man sogar die typischen Laute hören, die sie von sich geben. Ich streckte die Hand aus und hatte das Gefühl, fast einen von ihnen berühren zu können. Dort im Wasser, umgeben von der Stille des Ozeans und den Gesängen der Delfine, das war ein Moment, den ich wohl nie wieder vergessen werde.
Immer wieder kletterten wir zurück aufs Boot, fuhren den Delfinen hinterher, sprangen wieder ins Wasser und schwammen ein Stück mit ihnen. Leider wurde das ganze Glück irgendwann getrübt, als ich plötzlich ein Brennen an meinem Körper spürte.  Ich glaubte, dass es eine Qualle war, und fuchtelte ziemlich panisch herum. Zurück auf dem Boot war die Feststellung ziemlich erbärmlich, dass ich vor einer winzigen Miniqualle Reißaus genommen hatte. Die Dinger heißen Medusas, sind winzig klein und verursachen aber leider ziemliche Schmerzen. Zum Glück sind sie aber nicht gefährlich und der Schmerz geht vorbei. Als wir auf einer Sandbank Halt machten, um uns zu sonnen und baden zu gehen, erwischte mich schon wieder eine so unglücklich am Fuß, dass ich den Rest des Aufenthalts mit Kühlen verbrachte.

 
Das ist übrigens Bill Gates' Insel






Zwischenstopp auf der Sandbank
Dafür war die nächste Aktivität – Schnorcheln am Korallenriff – umso schöner. Ich war überwältigtvon dem Bild aus Korallen, Seesternen, Seeigeln und Salzwasserfischen und es war einfach nur wunderschön. Man konnte sämtliche Fische aus „Findet Nemo“ wiedererkennen! Marco Polo holte uns sogar einen Kugelfisch herbei, den er uns vor die Nase hielt und den wir anfassen durften – ein unfassbar possierliches Tierchen. 

 
Schnorcheln über dem Korallenriff





 
Mit unserem Guide Marco Polo
Zum Abschluss gab es für uns noch lecker frisch gefangenen Thunfisch mit Reis und Kalamari zum Mittag, bevor es zurück an Land ging.

 
Lecker Seemannsessen
Das Fazit von diesem Tag war eine Mischung aus einzigartigen Erlebnissen, Sonnenbrand und Sonnenstich. Am nächsten Tag ging es uns wegen Letzterem so schlecht, dass wir unseren Aufenthalt im Guesthouse um einen Tag verlängerten und diesen größtenteils im Bett verbrachten. Anna hatte es am Schlimmsten von uns erwischt und ich hab in meinem Leben noch keinen so krassen Ganzkörpersonnenbrand gesehen!! Pole sana…
Am letzten Tag bekamen wir noch eine Privatführung durch Stonetown von der Via-Freiwilligen Anna. Sie hat uns mit so viel Freude und Engagement „ihr“ Sansibar gezeigt, dass es unseren Urlaub dort unglaublich aufgewertet hat, und ich bin sehr froh, sie kennen gelernt zu haben.

 
Teetrinken mit Anna

 
Blick auf Stonetown






Schließlich stand die Heimreise an. Wir hatten tolle, einzigartige Erlebnisse gemacht und trotzdem freute ich mich, endlich wieder zurück nach Hause zu kommen – allein schon wegen des Klimas. Doch unser Vorhaben stellte sich komplizierter heraus als gedacht. Wisst ihr noch, dass wir uns geschworen hatten, dass die Rückfahrt besser werden sollte als die Hinfahrt? Da hatten wir uns aber getäuscht…
Die Fähre, die wir eigentlich nehmen wollten, war schon voll besetzt, sodass wir statt einer zweistündigen Überfahrt eine Nachtfähre über 9 Stunden nehmen mussten, um unseren bereits gebuchten Bus am nächsten Morgen in Dar-Es-Salaam noch zu erwischen. Unglücklicherweise hatte ich mir am letzten Abend auf dem Night Market eine Lebensmittelvergiftung zugezogen, die sich auf der Fähre prompt bemerkbar machte. Ich verbrachte also die 9 Stunden damit, auf der Toilette meinen gesamten Magen- und Darminhalt zu entleeren. Zum Glück ging es mir danach besser, sodass ich die Busfahrt ab Dar-Es-Salaam antreten konnte. Als wir um sechs Uhr morgens mit einer Stunde Verspätung in Dar-Es-Salaam anlegten, war der Bus aber bereits abgefahren, sodass wir spontan einen Bus nach Arusha nehmen mussten, um dort zu übernachten und am nächsten Tag nach Nairobi weiterzufahren. Den größten Teil der Busfahrt verbrachte ich auf dem Boden liegend, da ich so meine Schwindelgefühle und Magenkrämpfe minimieren konnte. Mir kam es nur recht, dass wir einen Zwischenstopp in Arusha machten, wo ich wenigstens im Bett liegen konnte.
Ein Gutes hatte dieser Umweg aber auch: Wir durften den Kilimanjaro nochmal von tansanischer Seite aus betrachten! Ich weiß ja nicht, was es mit diesem Berg auf sich hat. Vielleicht ist es der Fakt, dass dort oben Schnee am Äquator liegt. Auf jeden Fall zieht mich dieses Bild immer in einen magischen Bann, wenn ich diesen Riesenkoloss am Horizont thronen sehe.



Ich glaube, ihr könnt euch vorstellen, wie froh ich war, nach zwei Tagen Fahrt endlich wieder in Kisii anzukommen. Ich bin ja jemand, der reisen liebt, und ich bin unglaublich dankbar dafür, dass ich das Privileg genießen darf, mit 24 Jahren bereits so wunderbare Reisen gemacht zu haben, obwohl ich noch nicht einmal selbst Geld verdiene. Reisen bedeutet für mich eine Erweiterung meiner Erfahrens- und Erlebenswelt und irgendwie auch meines Denkhorizonts. Und trotzdem kann ich nun sagen, dass ich nach diesen zwei Monaten „Afrikareise“ irgendwie auch erstmal genug davon habe. Ich habe das Gefühl, ich bin jetzt erstmal mit Eindrücken gesättigt und freue mich, meinen Alltag und meinen körperlichen Komfort wieder zu haben. Aber vor allem freue ich mich, die Schüler und Schülerinnen der Special School wieder zu sehen! Es war so ein toller Moment, wieder in die Schule zu kommen und es kommen Dutzende von Kindern auf einen zu gerannt und springen einem in die Arme! Selbst unsere Namen hatten sie noch nicht vergessen. Und plötzlich hatte ich das Gefühl, endlich auch in der Schule angekommen zu sein. So undefinierbar wie unsere Rolle als Freiwillige manchmal ist – irgendwie merkte ich plötzlich, dass ich hierher gehörte und mich hier eingefunden hatte. Nicht in Tansania und nicht anderswo. Sondern in Kisii. Und plötzlich fallen einem dann so komische Eigenarten an einem selber auf, seien es bestimmte englische Wörter oder kenianische Gesten, die man unbewusst in seinVerhaltensrepertoire eingebaut hat und die einem zeigen, dass die paar Monate in Kenia doch schon ihre Spuren hinterlassen haben. Nicht nur auf unserer Haut und in unserem Hüftspeck, sondern auch in unseren Herzen. Und das ist der Platz, wo wir hingehören. Das ist unser kleines Kenia.

Mit Mary